Definition
Was ist das überhaupt - die Opferrolle? Menschen fallen häufig in diese passive Rolle hinein, um besser mit negativen Erfahrungen und Enttäuschungen umgehen zu können. Oft geschieht das aus Selbstschutz und um Hilfe zu bekommen.
Oftmals sind es jedoch auch andere Personen, die Menschen mit wenig Selbstbewusstsein zu Opfern machen (Viktimisierung). Hier der Opferrolle zu entkommen ist besonders schwierig.
Raus aus der Opferrolle - das hört sich erstmal nach einer einfachen Pauschallösung an. Viele Dinge im Leben können wir aber selbst nicht beeinflussen. Mit Enttäuschungen, Schmerzen, Verlusten und Angriffen müssen wir leben. Es ist jedoch keine Lösung, die Schuld dann auf andere abzuwälzen und uns selbst als Opfer zu sehen.
Menschen in der Opferrolle befinden sich häufig in einem übertriebenen Jammermodus. Wird ein Arbeitskollege gelobt, fühlt man sich automatisch zurückgesetzt. Geht zuhause Geschirr zu Bruch, war man sich schon vorher im Klaren, dass nur einem selbst das passieren konnte. So verwundert es nicht, dass ein vermeintliches Opfer lieber passiv bleibt, denn seiner Meinung nach lohnt es sich sowieso nicht, etwas verändern zu wollen.
Wie fällt man in die Opferrolle?
Eigentlich möchte niemand Opfer sein. Viele kennen trotzdem zeitweise dieses Gefühl, ungerecht behandelt und verkannt zu werden, bei einer Beförderung übergangen zu werden oder den erhofften Job nicht bekommen zu haben - sei es weil das eigene Talent nicht erkannt wurde, weil ja sowieso immer nur den anderen alles gelingt, weil jeder einen grundsätzlich nicht versteht, oder weil einfach das Wetter schlecht ist.
Wenn ein Mensch die permanente innere Überzeugung hat, Opfer von Menschen oder Umständen zu sein, erzeugt das Leiden und eine unterschwellige Unzufriedenheit ist die Folge davon. Je nachdem, wie ausgeprägt diese Unzufriedenheit ist, kann es sogar dazu kommen, dass jemand ein märtyrerhaftes Verhalten zeigt und sich in dieser Rolle sogar gefällt. Gesund ist so ein Verhalten definitiv nicht.
Menschen in der Opferrolle stehen sich oft selbst dabei im Weg, ihr Leben aktiv in die Hand zu nehmen und das eigene Schicksal zu korrigieren. Es ist für sie leichter, Verantwortung abzugeben und immer neue Gründe zu finden, die an ihrem Zustand schuld sind. Manche Menschen haben diese Grundhaltung ihr ganzes Leben lang, andere kennen dieses Gefühl zumindest in bestimmten Situationen.
Einfluss auf unsere menschliche Entwicklung haben natürlich diverse Rahmenbedingungen: Prägungen und Erfahrungen in Kindheit und Pubertät, soziale Faktoren, Gesetze und Hierarchien oder auch körperliche oder seelische Gewalt. Damit kann ein tief sitzender Schmerz verbunden sein. Entscheidend ist aber, wie wir uns damit auseinandersetzen. Während manche Menschen aus Krisen und schlechten Erfahrungen gestärkt hervorgehen, geben andere auf.
Opferrolle erkennen
Menschen in der Opferrolle tendieren zu übermäßigem Jammern. Dieses ständige sich beklagen kann jedoch nichts an einer unguten Situation ändern.
Ab und zu einmal jammern kann befreiend und entlastend wirken. Wenn es aber zur Gewohnheit wird, dann belastet der Jammerer nicht nur sich selbst, sondern zieht auch seine Mitmenschen mit runter. Der Fokus ist ständig auf das Negative gerichtet und der Blick auf das Schöne und Positive geht langsam aber sicher verloren.
Anzeichen für Menschen in der Opferrolle:
- Jammern, gerne und oft
- Kritik wird sofort als persönlicher Angriff gewertet
- chronische Unzufriedenheit
- Selbstmitleid
- geringes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen
- die Schuld liegt stets bei den anderen
- Egoismus
- das Gefühl gegenüber anderen benachteiligt zu sein
- fehlende Bereitschaft selbst etwas zu ändern
- das Gefühl von Hilflosigkeit und Unzufriedenheit
- fehlendes Durchsetzungsvermögen
- Überreaktionen bei unbedeutenden Vorfällen
- Manipulation von anderen, um Schuldgefühle zu erzeugen
- fehlende Eigenverantwortung
Warum bleiben Menschen in der Opferrolle?
Forschungen haben gezeigt, dass das menschliche Gehirn auf negative Erfahrungen stärker reagiert als auf positive. Um uns vor potenziellen Gefahren zu schützen, ist unser Gehirn darauf programmiert, negative Informationen intensiver zu verarbeiten als positive. Das könnte eine Erklärung sein, warum manche Menschen dazu tendieren, in ihrer Opferrolle zu bleiben. So fühlen sie sich in der bekannten, aber unangenehmen Situation “sicherer” als in einem unbekannten, aber möglicherweise besseren Leben.
Das Aufgeben der Opferrolle erfordert Veränderungen. Es bringt auch Risiken mit sich, die viele Menschen verängstigen und in ihrer Komfortzone gefangen halten.
Wer sich in der Opferrolle befindet, jammert und sich bedauert, erlaubt anderen, über das eigene Leben und Glück zu entscheiden. Bedeutung, Anerkennung und Selbstwert werden von der Gunst anderer abhängig. Ein Satz von Bodo Schäfer bringt auf den Punkt, was die Opferrolle so riskant macht: “Wem du die Schuld gibst, dem gibst du die Macht.” Die Opferrolle delegiert also nicht nur die Schuld. Sie delegiert auch die Verantwortung.
Gründe, in der Opferrolle zu bleiben
- Die Opferrolle ist ein Teil unserer Komfortzone und wer verlässt diese schon gern?
- Wer durch Schicksalsschläge am Boden liegt, erfährt Fürsorge und erhält Mitleid und Trost. Wer sich in der Opferrolle befindet, drängt die Mitmenschen zur Hilfsbereitschaft, erhält so das Gefühl von Geborgenheit und steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
- Wer Opfer ist, muss nicht selbst aktiv werden und sich anstrengen, um Lösungen zu finden. Man kann getrost die Hände in den Schoß legen und bequem andere das Unglück lösen lassen.
- Man muss Entscheidungen treffen, wenn man die Opferrolle ablegen will. Die können aber möglicherweise falsch sein. Also überlassen wir diese Entscheidungen lieber den anderen.
Natürlich gehören zum Opfersein immer zwei: Derjenige, der sich zum Opfer machen lässt und der Täter beziehungsweise das schicksalhafte Ereignis. Niemand muss jedoch Opfer bleiben, denn Selbstmitleid ist zwar auch eine Strategie, es ist vor allem aber die eigene Entscheidung.
Wie entkommt man der Opferrolle?
Die Opferrolle hält viele Menschen davon ab, ihr Leben zu verändern, Herausforderungen zu meistern und Probleme zu lösen. Wer sich als Opfer der Umstände wahrnimmt, schiebt den anderen die Schuld in die Schuhe, und findet immer Ausreden, warum manches nicht getan werden kann. Das Problem besteht darin: Solange man sich in der Opferrolle befindet, wird sich nichts am Leben ändern. Stattdessen versinkt man in Selbstmitleid und redet sich ein, nicht für die Situation verantwortlich zu sein.
Und wie sieht jetzt die Lösung aus? Raus aus der Opferrolle!
Erst wenn man Verantwortung für sein Leben übernimmt, seine Probleme anpackt und aufhört, die Schuld immer den anderen zuzuschieben, kann sich etwas ändern und es geht vorwärts im Leben.
Hilfreiche Tipps, um die Opferrolle abzulegen
Die eigene Situation erkennen
Wenn das eigene Leben nicht so läuft, wie man es sich gewünscht hat, gilt es zu überlegen, was man selbst dazu beigetragen hat:
- Wenn ich seit Langem beruflich nicht vorwärts komme, liegt das sicher nicht nur daran, dass der Vorgesetzte mich unsympathisch findet.
- Wenn ich zu viele Kilos auf die Waage bringe, liegt das sicher nicht nur an meinen schlechten Genen, oder daran, dass ich keine Zeit für Bewegung habe.
- Wenn ich seit Jahren Single bin, liegt das sicher nicht nur daran, dass alle guten Männer oder Frauen schon vergeben sind.
Sich den unangenehmen Wahrheiten zu stellen, hilft dabei, die eigene Situation zu erkennen und zu akzeptieren, dass man sich in der Opferrolle befindet. Das ist sicherlich zunächst sehr schmerzhaft, aber auch befreiend und der wichtigste Schritt, um aus der Opferrolle auszubrechen.
Fokus auf die Lösung
Menschen in der Opferrolle fokussieren sich auf die Probleme, die in ihrem Leben auftreten. Menschen, die Verantwortung übernehmen, suchen jedoch nach Lösungen - der entscheidende Unterschied.
Anstatt sich darüber zu beschweren, dass das Leben ungerecht ist, muss versucht werden, die Probleme aktiv anzugehen und nach Lösungen zu suchen. So wird Verantwortung übernommen, positive Gedanken bringen Energie und die Zuversicht nimmt zu, dass die Probleme zu lösen sind.
Selbstmitleid ablegen
Probleme und Enttäuschungen entstehen immer wieder. Es ist einfach nur menschlich, dass so gut wie jeder Mensch von Zeit zu Zeit in Selbstmitleid verfällt. Wenn diese Einstellung jedoch zum Dauerzustand wird, dann wird es problematisch. Durch Selbstmitleid verharrt man in der Opferrolle.
Anstatt in Selbstmitleid zu versinken, hilft es, mitfühlend zu sein. Ein großer Unterschied, denn mitfühlend sein bedeutet, sich selbst einzugestehen, dass die Lage gerade schwierig ist und sich selbst aber gleichzeitig zu motivieren, positiv mit der Situation umzugehen.
Wer vor einer Herausforderung steht, verletzt wird oder eine Enttäuschung erlebt, kann sich selbst sagen: “Das ist jetzt eine blöde Situation. Das ist nicht zu ändern. Ich kann das schaffen.”
Die Tatsachen akzeptieren
Wir leben in einer Zeit, in der wir mehr Freiheit und Wohlstand haben als je zuvor. Immer mehr Menschen erwarten, dass es ihnen einfach gut gehen muss, ihre Bedürfnisse erfüllt werden und das Leben einfach ist. Die Wahrheit ist jedoch: Das Leben ist nicht fair. Zum Problem wird diese Tatsache dann, wenn man glaubt, das Leben schuldet mir etwas.
Es existiert jedoch keine Regel, die besagt, dass alles so kommt, wie man sich das wünscht. Es gibt kein Recht darauf, glücklich zu sein.
Wer erwartet, dass das Leben immer in den rechten Bahnen verläuft, wird einen Rückschlag nach dem anderen erleben. Stattdessen ist es sinnvoll, sich darauf zu konzentrieren, das Beste aus dem zu machen, was momentan zur Verfügung steht.
Verantwortlich reagieren
Manchmal geschehen Dinge, für die man einfach nichts kann. Man ist nicht für alle Lebensumstände verantwortlich. Man ist aber immer dafür verantwortlich, wie man auf diese Umstände reagiert. Das ist der Unterschied zwischen Menschen, die in der Opferrolle festgefahren sind und denjenigen, die Verantwortung übernehmen. Ganz gleich, was im Leben passiert und wie man von anderen Menschen behandelt wird: Nur ich selbst entscheide, wie ich reagiere.
Alte Verletzungen heilen lassen
Einen großen Einfluss auf unser jetziges Leben hat unsere Erziehung. Es gibt wohl kein Kind, das eine perfekte Kindheit hatte. Doch die Eltern oder Lehrer für alle derzeitigen Probleme verantwortlich zu machen, führt nur dazu, weiterhin in der Opferrolle zu verharren.
Eltern sind keine perfekten Wesen, die immer das Richtige tun und immer die richtige Antwort auf alle Fragen haben. Bestimmt erziehen manche Eltern ihre Kinder besser als andere. Alle begehen jedoch Fehler in der Erziehung, aus dem einfachen Grund, weil sie auch nur Menschen sind.
Zum Erwachsenwerden gehört es also dazu zu verstehen, dass die Eltern nicht für alles verantwortlich sind. Damit alte Wunden und Verletzungen heilen können, ist es also gut, ihnen zu verzeihen und so Frieden zu finden. Andernfalls verhält man sich noch immer wie ein Kind, das glaubt, dass andere für seine Probleme verantwortlich sind und auch andere diese Probleme lösen müssen. Da ist sie wieder, die Opferrolle!
Keine Ausreden suchen
Wer kennt das nicht? Einen Fehler gemacht, etwas vorgenommen und dann nicht durchgeführt, etwas versprochen und nicht eingehalten. Die Versuchung ist groß, nach Ausreden zu suchen und sich rauszureden.
Sich selbst und auch anderen einzugestehen, dass etwas falsch gemacht wurde, tut erst einmal weh. Es ist aber auch sehr befreiend und ein wichtiger Schritt, um aus der Opferrolle auszubrechen: Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen.
Das Mindset verändern
Wer endgültig erfolgreich der Opferrolle entkommen will, muss sein Mindset verändern. Wer anfängt, Probleme als Chancen zum Wachsen und Rückschläge als Feedback zu sehen, ist auf einem guten Weg. Sich bewusst zu machen, dass man fast alles lernen kann, dass die Vergangenheit nicht über die Zukunft bestimmt und dass man alleine für seine Zufriedenheit verantwortlich ist, kann vielleicht erst einmal erschreckend sein. Je mehr man jedoch dieses Mindset annimmt, umso leichter gelingt es, aus der Opferrolle auszubrechen.
Es ist allerdings oft ein längerer Prozess und erfordert viel Durchhaltevermögen, ein positives Mindset zu etablieren. Unterstützung dabei kann auch Hilfe von außen durch ein Coaching bieten. Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag “Mindset - Definition und Mindset-Tipps für Glück und Erfolg”.
Über den Autor - Sebastian Wächter
Sebastian Wächter hat als 18-Jähriger die radikalste Veränderung seines Lebens erfahren. Er stürzt beim Wandern und bricht sich das Genick. Seitdem sitzt er im Rollstuhl - er ist querschnittsgelähmt und kann weder seine Beine noch seine Finger bewegen. Auch ein Großteil seiner Armmuskulatur ist gelähmt. Dennoch gelingt es ihm, sich ein eigenständiges Leben und seine Selbstständigkeit zurückzuerobern. Er hat über Jahre ein Mindset entwickelt, durch das er es geschafft hat, große Herausforderungen zu meistern und ein erfolgreiches Leben zu führen. Die Grundlage hierfür war allerdings ein langer Weg zur Akzeptanz seines Schicksals, erst hierdurch startete seine erfolgreiche Veränderung. Heute ist Sebastian Keynote Speaker und gibt Unternehmen Impulse, wie aus Veränderung auch Fortschritt werden kann. Er wurde inzwischen mehrfach ausgezeichnet und gehört zu den "Top-100-Speakern" von Speakers Excellence. Ebenso unterstützt er als Coach Privatpersonen im Umgang mit Veränderung. Sein neues Buch trägt den Titel „Change Mindset“.
Fazit
Wer aus der Opferrolle aussteigen will und stattdessen selbstbestimmt und mit Freude sein Leben steuern will, muss sich zunächst erst einmal selbst eingestehen, dass er in der Opferrolle gefangen ist.
Erst dann kann es gelingen, sich davon zu befreien und mit Energie und Freiheit den Alltag zu genießen.
Das ist ein großes Ziel, aber es lohnt sich, sich darauf zu fokussieren. Wer in der Opferrolle verharrt, hat keine Kontrolle über sein Leben und wird zum Spielball seiner Launen und der Launen anderer Menschen.
Wer es jedoch schafft, die Selbstverantwortung für das eigene Leben zurückzuerlangen, ist auf einem guten Weg, die Opferrolle hinter sich zu lassen und wieder mit Spaß und Freude am eigenen Lebensglück zu arbeiten.